Prag stand schon länger auf der Liste meiner Reiseziele. Ende November war es dann soweit: zum einen, weil die „Goldene Stadt“ zu dieser Zeit weniger von Touristen überlaufen ist, zum anderen, weil ich ohnehin eher eine düstere und kafkaeske Stimmung einfangen wollte, als es in den Sommermonaten möglich gewesen wäre. Schon vor Reisebeginn hatte ich daher die Idee in sehr entsättigten Farben zu arbeiten oder in Schwarzweiß. Und letzteres wurde es dann zum großen Teil auch.
Prag ist voller Motive und Widersprüchlichkeiten. Teils groteske Statuen, alte Bauwerke und dazwischen das pulsierende, moderne Leben. Shops zwischen Kunst und Kitsch, hübsch und glitzernd hergerichtet, inmitten von graffitibesprühten Fassaden. Lokalitäten wohin man blickt, vom traditionell aufgezogenen Touristengasthaus (davon gibt es viele) bis hin zu kleinen, versteckt liegenden Cafés mit gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre. Kafka-, Film- und Absinthmuseum; Galerien (oft dem Kitsch verhaftet) und Kunstausstellungen sowieso. Es lohnt sich also, durch die Straßen zu streunen und die Augen offen zu halten. Und das vor allem abseits der ausgetretenen Touristenpfade. Ein paar dieser Stadtbetrachtungen gibt es am Ende des Beitrages. Zuerst führten mich meine Schritte jedoch zu einem eher traditionellen Ort: hinauf zum Letná Park. Dort, wo früher ein Stalin-Denkmal stand und sich heute das Prager Metronom befindet, belohnt uns der Aufstieg mit einem der schönsten und wohl klassischsten Blicke über die Stadt und seine Brücken.
Die folgenden Abende gehörten dann immer den Uferbereichen der Moldau. Von der östlichen Seite hat man den besten Blick Richtung Prager Burg – die Anzahl der Touristen, die sich entlang der Geländer mit Fotoapparaten reihen, bestätigen das. Dabei entstand auch eines meiner Lieblingsbilder der Reise:
Für diese Aufnahme erwies sich mein flexibles Stativ von Vorteil: der Schlafplatz der Möwen befindet sich in etwa auf gleicher Höhe mit dem Gehsteig. Man kann also (schnappschussmäßig) auf sie hinab fotografieren, sich hinlegen, oder – wenn es die Ausrüstung zulässt – die Mittelsäule verkehrt herum montieren, und die Kamera kopfüber knapp über dem Asphalt schweben lassen. Damit befindet man sich auf Augenhöhe mit dem Motiv und hat dabei die beleuchtete Karlsbrücke und die Burg als Hintergrund. In der Bearbeitung stellte ich den Weißabgleich „links auf Anschlag“, um die Farbe der Vögel relativ neutral zu bekommen und holte den nun deutlich blauen Hintergrund mittels Verlaufsfilter ein wenig in eine wärmere Farbtemperatur zurück. Den dabei entstandenen, fast gemäldeartigen und leicht surrealen Look, sowie den Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund mag ich sehr. Eine Bearbeitung mit einheitlicherer Farbgebung wirkte dagegen fast langweilig und wurde rasch wieder verworfen.
Das Bild vom Nationaltheater (das letzte der nachfolgenden Serie) entstand auf der „Schützeninsel“ (Střelecký ostrov), die sich ein Stück weiter südlich befindet. Direkt unterhalb der „Brücke der Legionen“ (Most Legií) ist natürlich auch dieses Fleckchen ein beliebter Photopoint.
Will man die Karlsbrücke (fast) menschenleer erleben, empfiehlt es sich früh aufzustehen. Aber schon in der Dämmerung, noch vor Sonnenaufgang, tummeln sich hier die ersten Fotografen. Mittels Graufilter und langen Belichtungszeiten kann man die eine oder andere Person verschwinden lassen, aber natürlich gibt es auch welche, die selbst mit Stativ längere Zeit an einem Platz verweilen. An meinem zweiten Morgen auf der Brücke machte ich aus der Not eine Tugend, als ich einen klassisch gekleideten Asiaten entdeckte, den ich unbedingt am Bild haben wollte. So lernte ich Teruyuki aus Japan kennen, mit dem ich noch ein paar nette Worte wechselte und Bilder austauschte. Das vorletzte Bild zeigt schließlich den stetigen Menschenstrom, der tagsüber auf der Brücke herrscht.
Zwischen all den Aufnahmen darf natürlich auch das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Ich denke, richtig schlecht essen kann man in Prag nicht. Und wenn man sich ein wenig umschaut bekommt man richtig gute Qualität zu günstigen Preisen (Tripadvisor ist hierbei auch immer einen Besuch wert). Bevor der aktuelle Beitrag nun mit ein paar allgemeinen Stadtbildern endet, noch ein paar meiner Erfahrungen:
- Klub Lávka / Novotného lávka 201/1
Modern eingerichtete Bar und Restaurant unterhalb der Karlsbrücke (der Baum ganz rechts im Bild der „Nightingulls“ steht vor dem Lokal); für die sehr gute Lage günstige Preise und sehr gutes Essen. Das „Roasted Pork“ war eines der besten, das ich in Tschechien je gegessen habe - Crazy Cow Steakhouse / Dlouhá 8
Zentral gelegen, dafür auch günstige Preise und sehr gute Steaks - Carmelita / Újezd 31
Ein italienisches Restaurant, muss bei mir wohl immer dabei sein; kaum zehn Minuten von der Karlsbrücke entfernt in der Prager Kleinseite (Malá Strana); sehr gute Qualität und günstige Preise - Café Arieta / Karlova 25
In einer kleinen Seitengasse mit viel Kunst und Kitsch und weiteren Cafés gelegen, entdeckte ich dort sehr schöne Schwarzweiß-Fotografie an den Wänden. Das Lokal ist klein, sehr(!) nüchtern eingerichtet, aber der Kaffee ist gut, und wegen der wechselnden Fotoausstellungen einen Besuch wert. - Tricafe / Anenská 3
Unweit der Karlsbrücke, und doch abseits der Touristenpfade; sehr guter Kaffee und diverse Kuchen in gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre; fast ein Pflichttermin - BV Café / Malostranské nábř. 563/3
Ebenfalls sehr guter Kaffe und Kuchen; gehobenere Wohnzimmeratmosphäre; im Vergleich jedoch doch teurer als die meisten anderen Cafés.Gleich daneben findet sich mit dem Samarkand ein original usbekisches Restaurant, das ich leider nicht besuchen konnte, aber von dem man auch nur gutes liest und hört. Das nächste mal dann …
Prag … hope to see you soon!
wow Klasse Fotos und danke für das Beschreiben zu dem ganzen! Mit sehr viel Interesse gelesen. Ich liebäugle auch mit so einem flexiblen Stativ. Benutzt du es viel? ist es nicht so, wenn es bis in Stellung gebracht ist die Vögel Möven schon nicht mehr da sind? Lg
Die sitzen (und schlafen) da eigentlich sehr entspannt … vermutlich weil sich ja nach dem Gehsteig und Geländer noch einige Meter Zwischenraum und “Abgrund” befinden.
Bzgl. Stativ ist eine umlegbare und komplett auszieh- und wieder einschiebbare Mittelsäule oft Gold wert. Habe mir jetzt für Reisen ein etwas kleineres bestellt, das glaube ich einen guten Kompromiss zwischen Größe/Gewicht und Stabilität darstellt. Werde meine Erfahrungen sicher einmal berichten. Umlegen kann man dort die Säule nicht, aber zumindest verkehrt herum montieren – und das ist manchmal sehr(!) praktisch, wenn man es nicht komplett tief stellen kann. Wenn wie z.B. im Möwen-Bild wenig Platz ist (weil viele Menschen herumwuseln) oder wenn die Beine z.B. in Wasser stehen …
Ok ich bin auf den Bericht dann gespannt! Danke